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Dienstag, 13. Oktober 2015

Prinzess Geschichte (61)





Marie #61#


Die Reise ans Kaspische Meer sollte beginnen. Eine Woche wollten sie bleiben.
Länger war es leider nicht möglich, denn es war sehr heiß und feucht am Meer
und mit der Kleiderordnung für die Frauen leider unerträglich.

Wieder fuhren sie die engen Serpentinenstraßen von Karatch nach Chalus und
von dort aus direkt zum Hotel Parsian Azadi, dass Ende der 70er Jahre erbaut
wurde und vor der Revolution Hyatt Caspian hieß. Marie erinnerte sich noch
als es sich im Bau befand. Eine moderne Alternative zum langsam baufälligen
Motel Ghoo Hotel.

Ein chices Hotel mit einer gepflegten Anlage. Lediglich das Wasser schien
knapp zu sein. Der Pool war zwar gefüllt, aber niemand durfte dort schwimmen.
Und der Wasserlauf bis hin zum Meer war komplett abgestellt worden. Schade.
Es war ein wirklich gut geführtes Hotel, allerdings sah Marie in jeder Ecke
Damen, immer zwei, ganz in Schwarz gehüllt und fast niemals hübsch. Das
waren die sogenannten "Khahar", die Schwestern. Die man auch Wächterinnen
nennen konnte. Sie hatten nur eine einzige Aufgabe. Aufzupassen das auch
jede Frau ordnungsgemäß gekleidet war.

Bereits auf der Fahrt hierher war es für Marie, ihrer Tochter und eigentlich
allen weiblichen Reisebegleitern sehr anstrengend so verhüllt im warmen
Auto zu sitzten, das keine Klimaanlage hatte. Deshalb nahmen sie ihr
Kopftuch ab, legtes es sich aber griffbereit über die Schulter. Denn hinter
jeder Kurve konnten die Pastaran, die Revolutionswächter stehen und
kontrollieren ob man ordenlich gekleidet ist. Zweimal hatten sie bereits
Glück und konnten gerade noch schnell ihr Kopftuch überziehen. Nach
und nach fanden sie Gefallen an diesem Katz und Maus Spiel. Ob die
Anderen in ihren Fahrzeugen auch so ein Spielchen spielen. Aber egal
wie lustig es war. Man musste höllisch aufpassen, denn mit den Wächtern
war nicht zu Spaßen.

Die kleine Reisegesellschaft belegte ihr Zimmer. Das tolle daran war das
man immer zwei Zimmer miteinander verbinden konnte. Die eigentlichen
Eingangstüren lagen etwas zurück und davor gab es dann noch eine Tür,
die, wenn sie geschlossen wurde einen kleinen Flur  gab. So konnte man
als Frau ungehindert und ohne Kopf und Körperbedeckung zum Neben-
raum gehen. Das war für Jaden und Marie praktisch, denn sie wollten
auf keinen Fall das ihre Kinder über den Flur rannten. So war es sicherer.

Es waren gerade die letzten  Tage des Muharam, das mit dem Aschura  Fest
endete. Deshalb durften die Frauen ihren Strandabschnitt nicht besuchen.
Man hatte ihn einfach geschlossen. Also saßen alle weiblichen Hotelgäste
voll bekleidetet unter den Sonnenschirmen und warteten darauf endlich auch
einmal ins Wasser steigen zu können. Vor ihnen genossen die Männer und Söhne
das kühle Nass. Nur in Badehose bekleidet. Wie gemein fanden sie diese Ungerechtigkeit.

Am 4.Tag waren diese Trauertage vorbei und die Frauen durften am Nachmittag
endlich zu ihrem, bestimmt 500 m vom Hotel entfernten Strandabschnitt.
Von weiten konnten sie bereits diese hohen Planen sehen, die wie Mauern bis wohl
10 m bis 15 m  ins Wasser  reichten. Viel breiter war das Arenal auch nicht.
Dier Frauen lagen mit ihren Decken dicht an dicht in diesem viel zu engen Bereich.
Aber immerhin mit Badeanzügen oder Bikinis. Im hinteren Bereich saß mittig eine
tief verschleierte "Khahar" Aufpasserin und auch vorne am Wasser eine weitere.

Marie, ihre Tochter und die beiden Schwägerinnen liefen ins Wasser und
schwammen mit kräftigen Zügen und entfernten sich so vom Strand.Sie
waren ziemlich weit raus geschwommen als plötzlich ein Helikopter über ihnen
kreiste und sie mit dem Megaphon aufforderte sofort zurück zu schwimmen.
Sie befinden sich in einer verbotenen Zone. Und wenn sie nicht sofort
zurück schwimmen, wird man sie abholen lassen und einen ganzen Tag
in einen Jeep bei geschlossenen Fenster in der Sonne stehen lassen.
Dann würden sie schon merken was sie dürfen und was nicht.

Wenn es nicht so traurig gewesen wäre, hätten alle jetzt angefangen zu lachen.
Aber das verkniffen sie sich, denn diese "Khahar" saßen mit zusammen
gekniffener Miene und beobachteten jeden Schritt von ihnen. Jadens
Schwester ging auf eine der Damen zu und schimpfte. "Wie sollen wir
denn schwimmen können. Die Begrenzung ist zu knapp, da ist ja noch
flaches Wasser" Aber es half nicht. Sie würden wieder den Helikopter
rufen und der würde sie womöglich alle tatsächlich mitnehmen und
ihre Drohungen wahr machen.

Am Nächsten Tag war der Strandabschnitt bereits auch für 2 Stunden am
Vormittag geöffnet und sie gingen alle wieder hin, legten sich in die Sonne,
plätscherten ein wenig in dem niedrigen Gewässer und sprachen deutsch
miteinander, was die "Khahar" ärgerte. Was sollten sie machen, wir waren eben
"Kharedji" Ausländer!

Zurück im Hotel sah Marie wie ein kleiner Junge, vielleicht 4 Jahre alt,
drohte in der  Fahrstuhltür eingeklemmt zu werden. Die Mutter war einfach
vorgelaufen und hatte sich nicht darum gekümmert ob der kleine Mann
auch nachkommt. Der trödelte etwas und schon ging die Tür zu und
er mitten drin. Marie sah den Vorfall und lief sofort hin um die Fahrstuhl-
tür wieder aufzudrücken und lehnte sich mit ganzer Kraft dagegen.
Dabei fiel ihr das Kopftuch auf die Schulter. Es  rutschte sowieso immer ,
da konnte sie machen was sie wollte.

Nachdem Marie den kleinen Jungen befreit hatte, kamen zwei dieser "Khahar"
auf sie zu. Böse blickten sie Marie an "Khanum, rusarit bekesch paiin."
Sie meinten das Marie ihr Kopftuch wieder richten sollte damit man ihre
Haare nicht mehr sehen konnte. Das war zu viel für Marie. Sie schimpfte
die beiden Frauen an, was denn bloß aus diesem Land geworden ist.
Da schwebt ein kleiner Junge womöglich in Lebensgefahr, zumindest
in Gefahr sich zu verletzten, und anstatt ihm zu helfen schauen sie nur
das bei den Helfenden auch das Kopftuch richtig sitzt. Marie sagte das
in einem fließenden Farsi, aber natürlich mit ihrem deutschen Akzent.
Das Gesicht der einen, jüngeren Frau erhellte sich  und sie fragte Marie.
"Schoma Kharedji hastid"..Sind Sie Ausländerin. "Bale, man Almani
hastam" Ja, ich bin Deutsche. Sie nahm Marie das Tuch von den Schultern
und legte es ihr über den Kopf. Verstaute sorgfältig Maries Haare darunter
und band es zu. "Ich würde zu gerne auch einmal nach Deutschland kommen".
Und streichte Marie am Ende noch einmal über den Kopf und wünschte
ihr eine gute Gesundheit.

Marie und alle anderen schauten ihr nach. Plötzlich hatte Marie eine andere
Einstellung zu diesen Frauen. Sie taten auch nur ihre Pflicht. Vielleicht
hatten sie ihre Männer im Krieg verloren und fanden  keine andere Arbeit.
Wer weiß das schon was sich hinter ihrem Schicksal verbirgt.Und von nun
an waren komischerweise alle "Khahars" sehr nett zu ihnen. Lächelten sogar.
Ob es sich rumgesprochen hat. Bestimmt waren hier schon lange keine Ausländer
mehr hergekommen. Und sie fanden ihre Freundlichkeit wieder. Alles war gleich
angenehmer.  Für alle irgendwie.

In der Mitte dieser Woche wollten sie den Freund von Jadens Bruder besuchen.
Er wohnt ein paar Orte weiter und die Familie besaß die einzige Apotheke im
Ort. Direkt an so einem kleinen Kreise war sie. Und als sie vorfuhren kam der
Freund  freudig strahlend vor die Tür um sie alle zu begrüßen. Sie werden sofort
gemeinsam in sein Haus fahren. Er war nicht verheiratet. Lebte noch mit seiner Mutter
und seiner Schwester zusammen, die das Down Syndrom hat. Nie zuvor hatten
die Kinder jemand mit diesem Syndrom gesehen und wussten zuerst nicht
wie sie sich ihr gegenüber verhalten sollten. Aber die Schwester war ausgesprochen
reizend und sehr herzlich. Da gab es mit dem anfreunden kein Problem.
Die Mama vom Freund hatte viel gekocht. Dazu waren einigen Familienmitglieder
als Helfer gekommen. Unwahrscheinlich leckere Spezialitäten aus dieser Region
durften sie probieren. Einige Gerichte hatte Marie vorher noch nie gegessen und
deshalb probierte sie es erst einmal sehr vorsichtig. Aber eigentlich war alles lecker
und sie genossen das Essen in vollen Zügen.



Fortsetzung folgt ....

Copyright: Heidemarie Khan Shaghaghi










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